Zum Inhalt springen

Machtumkehr und keine Folklore

Gedanken zum Palmsonntag von Pastoralreferent Peter Otten
esel
Datum:
26. März 2021
Von:
Florian Duczek

Liebe Leserinnen und Leser!

Gerichtsfest, äußerungsrechtlich unbedenklich und mit einer ungewöhnlichen Methode begegnet Jesus den Hörerinnen und Hörern der Geschichte vom Palmsonntag. Er reitet auf einem Esel nach Jerusalem. Und die Autoren des Markusevangeliums komponieren diese Geschichte nicht ohne Grund in einen bestimmten Zusammenhang hinein: Denn in der darauf folgenden Geschichte wird erzählt, wie Jesus sofort in den Tempel geht. Dort wirft er die Tische der Händler und Geldwechsler um und treibt sie hinaus. Aus dem „Bethaus für alle Völker“ haben die Menschen eine „Räuberhöhle“gemacht. So sein Vorwurf.

Jesus wird also mit der Krise einer Institution konfrontiert. Um denTempel herum hat sich eine geschäftige Industrie angesiedelt. Die Gottesbeziehung hat sich in gewisser Weise automatisiert. Dem Einhalten von Regeln, dem Opfern von Tieren folgt wie eine Kassenquittung die „beantragte“ Gottesnähe. Trägt das noch ein Leben? Eine Gemeinschaft? Die Hörerinnen und Hörer von Markus wissen bereits, dass der Tempel von den Römern zerstört worden ist. Die Institution, die lange Jahre dem Leben ein stabilisierende Regularium garantierte ist pulverisiert.

Trägt die Institution noch, in deren Namen ich das Evangelium auslege? Oder ist sie nicht bereits dabei sich zu pulverisieren? Das dachte ich, als ich am Donnerstag ins Maternushaus ging, um in dem Gutachten zu lesen, das vom Erzbischof in Auftrag gegeben und nicht veröffentlicht worden ist. Eine Atmosphäre wie bei der Abiprüfung: Telefon, Jacke und Tasche abgeben. Zwei Mitarbeiter, die Aufsicht führen. 90 Minuten Zeit. Ein Ausflug in eine hermetische, mächtige, sich absichernde, misstrauische Institution, ein Gang in einen Haufen dröhnend schweigender Steine war das. 

Und mitten in diese zerbröckelnde Kulisse reitet der, den wir Heiland nennen, auf einem Esel. „Das war übrigens keine fröhliche Folklore“ schreibt der Theologe Klaus Müller. „Die politischen und religiösen Autoritäten in Jerusalem nahmen nämlich sehr wohl wahr, dass dieser Jesus da eine ironische Persiflage des Machtgebarens seiner Zeitgenossen ins Bild setzte. Nicht umsonst haben sie ihm ja wenige Tage später eine Purpurdecke umgehängt, eine Dornenkrone aufgesetzt und ein Schilfrohr als Zepter in die Hand gedrückt und ihn so als Spottkönig präsentiert, den man bespucken durfte. Das war ihre Rache für die Palmsonntagskritik gewesen.“

Der Palmsonntag setzt mit diesem berührenden Bild des Heilands auf dem Esel die Ouvertürein einer Woche, diezweifelsohnedie Frage nach der Macht stellt. Und die am Karfreitag ihren Höhepunkt erreicht. Denn der Karfreitag dreht das Bild des Heilands, der auf einem Esel in die zerfallende Welt hineinreitet weiter: Der, der das Heil bringt, ist vom Esel abgestiegen und stirbt. Ermordet. Einsam und verlassen. Am Karfreitag wird er die Ohnmacht umarmt haben. Doch von den religiösen Autoritäten hintern den Mauern ihrer schweigenden Steine keine Spur.

Die Ohnmacht umarmen aber bedeutet, die Insignien der Macht abzulegen. Nicht als Folklore, sondern in echt. Nicht nur das: Es bedeutet scheinbar selbstverständliche, institutionelle Machtverhältnisse umzukehren. Bedeutet, Esel werden. Füße waschen. In dieser Umkehr, in diesem Durchbruch mag es Ostern werden. Wir werden sehen.

Text: Markus 11, 1 –10