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Wie lange noch?

Gedanken zur Pandemie mit Psalm 13 Der Psalm 13 ist mir in der letzten Zeit sehr ans Herz gewachsen.
Wie lange noch?
Datum:
16. Okt. 2020
Von:
Hauke Enzenauer

Gedanken zur Pandemie mit Psalm 13

Der Psalm 13 ist mir in der letzten Zeit sehr ans Herz gewachsen. Das Gebet beginnt mit der Schilderung der Not des Beters: „Wie lange noch, Herr, vergisst du mich ganz? Wie lange noch verbirgst du dein Angesicht vor mir? … Wie lange noch darf mein Feind sich über mich erheben?“. Zunächst wird die Not beim Namen genannt, die Not mit ihren verschiedenen Gesichtern und Dimensionen. Diese Not liegt im Inneren des Beters, in seiner Unruhe, Einsamkeit, Krankheit und Angst. Sie hat ihre Ursache auch in seiner unmittelbaren Umgebung, im Bekannten- und Freundeskreis oder in der Gesellschaft, die ihn umgibt: in der Bedrängnis durch Menschen, in Rufschädigung und Verleumdung. Die Not aber hat fast immer mit Gott zu tun. Die größte Not besteht meist darin, dass Gott als der ferne, abwesende Gott erlebt wird.

Auf die Notschilderung folgt die Bitte des Beters um Befreiung und Rettung. Dabei werden die drei Dimensionen der Not wieder aufgegriffen, die individuelle, soziale und theologische. Vor allem die Grund-Not soll behoben werden: der bittere Eindruck, dass Gott abwesend ist. Denn wenn Gott seine Gegenwart neu schenkt, dann verlieren auch die anderen Nöte ihr bedrohliches Gesicht.

Auf Not und Bitte folgt schließlich das Wort des Vertrauens. Die Kräfte des Vertrauens zu mobilisieren, ist Teil des biblischen Klagegebetes: Darin entfaltet es seine heilende Kraft. Wer neu darauf vertrauen kann, dass Gott der verlässliche Grund ist und bleibt – auch in den Abgründen und Unsicherheiten des Lebens – , der kann seinen Weg weitergehen.

Psalm 13 beginnt mit der bangen Frage: „Wie lange noch, Herr“? Diese Frage stellen sich

gegenwärtig viele Menschen. „Wie lange noch“ müssen wir mit der Pandemie leben? Die Krise dauert länger als erwartet. Im Sommer sah es schon ein wenig nach „neuer Normalität“ aus. Jetzt aber kommt die Ernüchterung. Steigende Zahlen, Reisewarnungen, eine Welle von Absagen, Entlassungen, Kündigungen, Insolvenzen. Wie wird das erst im kälteren Herbst oder im Winter sein?

Die Krise bringt viele an die Grenzen der Belastbarkeit, seelisch, wirtschaftlich, menschlich, nicht nur bei uns, sondern überall in der Welt. „Wie lange noch“? Gibt es wirklich Licht am Ende des Tunnels? Viele Menschen sind zur Zeit versucht, daran zu zweifeln.

Psalm 13 macht mir Mut, darauf zu vertrauen, dass der Tag kommen wird, an dem wir auf diese Pandemie zurückblicken werden wie auf eine Naturkatastrophe, die hinter uns liegt. Wir wissen zwar nicht, wann das sein wird. Doch bis dahin gilt es, mit Geduld, gegenseitiger Rücksichtnahme und Zusammenhalt alles Mögliche zu tun, dass dieser Tag bald kommen wird.

Hoffnung gibt mir das Bemühen der Wissenschaftler, die weltweit an Impfstoffen und

Behandlungen forschen. Hoffnung gibt mir das Krisenmanagement der politisch Verantwortlichen in unserem Land. Sie stehen unter einem enormen Druck, werden manchmal sogar beschimpft und bedroht. Kritisieren ist immer leichter als differenzierte Entscheidungen zu treffen. Und letztlich bleibt das Vertrauen auf Gott. Er ist für mich in diesen unsicheren Zeiten die letzte Sicherheit:„Ich aber: Auf deine Güte vertraue ich“ (Ps 13,6).